Das Unpünktlichkeits-Ich: Warum ich notorische Zuspätkommerin bin
Unsere Mode-Redakteurin kommt nur bei Spaßterminen zu spät. Bei wichtigen Job-Meetings und Deadlines funktioniert ihr Zeitgefühl nämlich überraschend gut.
Theoretisch war ich schon vor 15 Minuten fertig, also geschminkt, haargeglättet und angezogen (mehr kann eigentlich niemand verlangen), doch dann kam mir das Sofa dazwischen, auf das ich mich nur "kurz" setzte, um "kurz" Instagram zu checken, bis mich die Whatsapp-Nachricht "Ich bin da!" meiner Freundin Juli aus der süßen Trance des Aufbruchs-Prokrastinierens riss. Dann natürlich Panikmodus: Ich kann meine Schlüssel nicht finden, mir fällt ein, dass ich noch Parfum auftragen wollte, und ich muss dringend aufs Klo. "Omw" ("On my way"), tippe ich hastig zurück, während ich das Paar Sneaker doch gegen meine Slingbacks switche – ach, und ein Halstuch wäre toll zum Look. Wo ist das nun wieder?
Dieser Artikel erschien zuerst in der aktuellen April-Ausgabe der Cosmopolitan (04/25).
See you (later)!
Was soll ich zu meiner Entschuldigung sagen? Am besten gar nichts mehr. Ich komme notorisch zu spät. Oder, wie Marilyn Monroe es formulierte: "Ich habe doch gesagt, dass ich in zehn Minuten da bin, also hör auf, mich alle halbe Stunde anzurufen."
Das ist kein böser Wille. Und es ist auch nicht so, dass ich keinen Respekt vor der Zeit anderer hätte. Aber meine ist mir einfach einen Tick heiliger – und ich genieße kleine Me-Time-Inseln so sehr, weil ich sie im hektischen Alltag sonst kaum habe, dass ich mich versehentlich in ihnen verliere. Aber: warum auch um 20 Uhr zur Hausparty auftauchen und langweiligen Small Talk mit pünktlichen Pärchen führen, wenn der eigentliche Fun eh erst um 23.55 Uhr beginnt? Selbst bei Drinks in einer Bar dürfen sich die anderen gern schon mal aufwärmen und sich dann über meine Strafrunde Drinks freuen – vor allem aber über meinen großen Auftritt …
Zuspätkommen als "Power Move"
Vielleicht ist das ja mein heimlicher Kink? Wer Leute bewusst warten lässt, fühlt sich überlegen, mächtiger. Putin und Trump wenden diesen psychologischen "Power-Move" offenbar gern an. Aber mit diesen Männern will ich mich nicht auf eine Stufe stellen. Ich glaube, auf mich trifft eher eine andere wissenschaftliche Erklärung zu: Kreative, optimistische Menschen können Zeit grundsätzlich schlechter einschätzen. Weil sie "erlebnisorientierte Typen" sind und "Das schaffe ich schon!" zum Lebensmotto ausrufen.
Meine besten Freund:innen setzen den Startzeitpunkt unserer Treffen für mich inzwischen eine halbe Stunde früher an, um was von mir zu haben. Auch okay: Bin jetzt ich mal die Erste, zahlen die anderen.
